Ein Tag in Guatemala.
Sechs Uhr morgens, der Wecker klingelt, ich bin schon wach. Das ist hier jeden Morgen so, der Tag im im Dorf Pacoxom beginnt früh. Noch tief in den Schlafsack gewickelt hört man unsere Gastfamilie ihr Feuer vorbereiten, das Geschirr vom Vorabend spülen und die Tiere erwachen. Um frühstücken zu können, müssen auch wir erstmal das Wasser auf unserem Gasherd zum Kochen bringen – das kann schon einmal fast eine halbe Stunde brauchen. Jeden Morgen gibt es Porridge mit Obst und eine Tasse Tee. Beim Aufstehen ist es zwar schon hell, die Sonne kommt nicht vor 7 Uhr in unser Tal, bis dahin ist es noch bitter kalt. Deshalb genießt jeder von uns beim gemeinsamen Zähneputzen an dem Waschbrunnen unserer Gastfamilie die ersten Sonnenstrahlen. Währenddessen kommt meist die Schwiegertochter der Familie vorbei um auch ihr Geschirr zu waschen. Die Töchter unserer Gastfamilie passen in dieser Zeit gerne auf ihre kleine Nichte auf. Die Frauen sind sehr schüchtern, viel reden tun sie mit uns nicht, aber man spürt die Neugierde und auch ihre Freundlichkeit.
Zwischen 7:30 und 8:00 Uhr machen wir uns auf den Weg zur Baustelle. Wir brauchen circa fünf Minuten von unserem Haus im Maisfeld zur Schule. Auf unserem Weg kommen wir an mehreren Häusern vorbei, wo meist die Frauen gemeinsam vor dem Haus sitzen und Näh- oder Webarbeiten erledigen – die Männer sind schon sehr früh bei der Arbeit. Bei der Ankunft an der Schule begrüßen uns die meisten Schüler seit dem ersten Tag hier mit einer Umarmung – woran man sich erst einmal gewöhnen muss. (…)
Auf der Baustelle angekommen, die Sonne steht schon ziemlich hoch und aus dem Radio tönt guatemaltekische Volksmusik. Man ist sich nicht ganz sicher, ob das Arbeitstempo die Musik führt oder anders herum – Arbeit und Musik gehen hier einher. Das Team, bestehend aus zwei Mitarbeitern des Architekten, zwei bis drei Dorfbewohnern und zwei bis vier Freiwilligen aus Deutschland, arbeiten circa neun Stunden am Tag. Die Kommunikation funktioniert trotz meiner geringen Spanischkenntnisse gut, die festangestellten Bauarbeiter können mit dem einfachsten Spanisch alles erklären. Obwohl die Dorfbewohner und auch die Bauarbeiter Spanisch können, sprechen sie untereinender immer in ihrer Maya Sprache, das lässt uns natürlich den ein oder anderen Witz verpassen. In meinen gesamten acht Wochen haben wir den schon vorhanden Bau (3 Klassenzimmer) für eine Aufstockung aus Bambus mit Betonsützen verstärkt. Dafür musste der Putz und Teile des Betons mit Hammer und Meißel abgeklopft werden, Armierungen verdrahtet, neue Fundamente gegossen, Schalungen für Betonstützen gezimmert und Beton gemischt werden. Fast alle Bauarbeiten werden ohne Maschinen durchgeführt, sodass auch nicht Gelernte, wie die Dorfbewohner und wir, bei allen anstehenden Aufgaben helfen können. Ein guter Grundgedanke, denn die Dorfbewohner fühlen sich durch ihre eigene Hilfe am Bau sofort viel verbundener mit dem neuen Gebäude.
Um 10 holt uns Luis für einen Besuch zu anderen Schulen ab. Wir fahren noch weiter in die Berge, weg von Zivilisation und richtigen Straßen. Am Ende eines Schotterwegs sind wir bei einer Schule angelangt, die aussieht wie ein typisches Wohnhaus in einem guatemaltekischen Dorf im Hochland, bestehend aus einem Haupthaus mit Veranda und einem Küchenhaus, in der Mitte ein kleiner Hof mit einem Waschtisch. Die Häuser sind aus Lehm und Wellblech gebaut und haben kaum Fenster. Untergebracht ist hier jedoch eine provisorische Schule, da der Schulweg zur nächsten Schule zu gefährlich für die fünf bis zwölf jährigen Kinder ist. In einem Raum sind mehrere Klassen untergebracht, Licht ist Mangelware, Hitze und Lärm durch das Wellblech machen es fast unmöglich gut zu lernen. Luis spricht mit den Lehrern, Kindern, dem Dorfkomitee und macht eine Bestandsaufnahme. Klar ist in diesem Fall, dass an diesem Ort etwas passieren muss um die Lernsituation der Kinder zu verbessern. Ohne Hilfe von nicht staatlichen Organisationen, wie Oyak und Esperanza, würde hier jahrelang nichts passieren.
Auf der Rückfahrt beginnt es, wie immer zu dieser Zeit, zu regnen und wir müssen unsere geliebten Plätze auf der Ladefläche des Pickups aufgeben, von der man wunderbar die vorbeiziehende Landschaft beobachten kann. Durchnässt zuhause angekommen huscht einer nach dem anderen unter die Dusche, um noch im Hellem Duschen zu können. Zum Abendessen gibt es Nudeln mit Tomatensauce. Den restlichen Abend verbringen wir in unserem Raum auf dem Hof unserer Gastfamilie, da es sobald die Sonne untergegangen ist wieder kalt wird. Um 21:30 bin ich so müde, dass ich sofort einschlafe.
Sechs Uhr morgens, der Wecker klingelt…